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Pressemitteilung

Rede zur Einweihung des NS-Mahnmals in Pfaffenhofen am 26.September 2014

Manche Worte, manche Texte sind, obwohl schon vor über 2000 Jahren geschrieben, zeitlos gültig, manchmal auch beklemmend aktuell.

Der römische Geschichtsschreiber Tacitus hat unter Kaiser Domitian eine schlimme Diktatur erlebt. In seinem ersten Werk, als freies Denken und Handeln wieder möglich waren, schildert er eindrucksvoll die Zeit der Knechtschaft. Er beschreibt, wie Männer, die sich zu widersetzen wagten, hingerichtet, Gelehrte in Exil gejagt, und deren Bücher öffentlich verbrannt wurden. Dann fährt er fort:

Ich zitiere: Wir haben wirklich einen rechten Beweis dafür gegeben, wieviel man sich gefallen lässt... Uns wurde ja auch durch ständige und gezielte Bespitzelung selbst der freie Meinungs-und Gedankenaustausch genommen. Auch das Gedächtnis hätten wir noch mit der Stimme verloren, wenn es ebenso in unserer Macht stünde zu vergessen wie zu schweigen.

Man glaubt, Tacitus beschreibe hier die Nazidiktatur: Hinrichtung von Regimekritikern, Vertreibung von Intellektuellen, Verbrennen von Büchern. Haben damals nicht viele, ja zu viele geschwiegen haben wie Tacitus Anpassung statt Widerstand gewählt? Wollten nicht viele, ja zu viele, die Zeit des Unrechts und der Gewalt vergessen, sie wegreißen, für immer ausradieren, damit ja nie mehr einer darüber berichten kann? Vergessen und Schweigen: Viele hätten diesen Weg der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit vorgezogen. Lange hat auch die Stadt Pfaffenhofen über die Zeit der NS-Diktatur schweigen. Es war nicht opportun, darüber zu reden. Und wenn es dennoch einer wagt, stieß er allenthalben auf Ablehnung, riskierte ausgegrenzt zu werden. Seit vielen Jahren schon hat Pfaffenhofen einen anderen Weg eingeschlagen. Im Jahre 1995 war es der damalige Bürgermeister Hans Prechter, der mich bat, Pfaffenhofens nationalsozialistische Vergangenheit in einem Buch aufzuarbeiten. Ich hatte ja im Pfaffenhofener Kurier-nicht immer zur Freude aller Leser-schon einige Artikel zu dem Thema veröffentlicht, das bislang in der Heimatforschung fast ganz übergangen worden war. Man hatte zuvor höchstens von Tieffliegerangriffen alliierter Verbände in den letzten Kriegstagen oder von Unrechtstaten amerikanischer Besatzungssoldaten erzählt. Sie durfte man sich auch ein wenig als Opfer fühlen... Die Arbeit am Buch war langwierig und mühselig. Das Schweigen war groß. Mir wurde nach intensivem Aktenstudium, nach Gesprächen mit Zeitzeugen, die nicht schweigen, mehr und mehr bewusst, wie sehr meine Geburts-und Heimatsstadt in diese unselige Zeit verstrickt war: Im Landkreis Pfaffenhofen erzielte bei den Wahlen 1933 die NSDAP den höchsten Stimmenanteil von ganz Oberbayern, es gab hier überdurchschnittlich viele Parteimitglieder, es gab viele SS-Angehörige, die in Konzentrationslagern Dienst taten, es gab Pfaffenhofener die wegen schwerer Kriegsverbrechen verurteilt wurden, es gab makabre Bluthochzeiten im Rathaus, es gab sogenannte Ausländerkinderlager in der Nähe, das viele Kinder nicht überlebten. Im nahen Eschelbach befand sich eine Außenstelle des KZ Dachau. In einem Raum, ohne Fenster, ohne Licht im Pfaffenhofener Rathaus wurden Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter misshandelt. In Pfaffenhofen und den umliegenden Dörfern sind viele Opfer der Euthanasie zu beklagen, Verdächtige wurden bespitzelt, Gegner des NSDAP denunziert, Pfaffenhofener , die den Hitler-Gruß verweigerten, in der gleichgeschalteten Zeitung öffentlich bloß gestellt und verhöhnt. Diese streiflichtartigen Stichworte mögen genügen. Und doch bin ich bei den Recherchen zu "Pfaffenhofen unterm Hakenkreuz" auch auf Menschen gestoßen, die sich gegen opportunistische Anpassung entschieden, die passiven oder gar aktiven Widerstand leisteten: Pfarrer, Kapläne, Katholiken, Protestanten, Sozialisten, Gewerkschaftler und Kommunisten. Nicht wenige büßten ihren Mut mit langer KZ-Haft. So kam mir 1998, lange vor der Vollendung des Buches, der Gedanke, es stünde n Pfaffenhofen gut an, der Opfer der NS-Gewaltherrschaft in angemessener Weise zu gedenken. Seit frühen Kindertagen sah ich in der Stadt und den umliegenden Dörfern Kriegerdenkmale, auch Denkmale, die -völlig zu Recht-an Vertriebene und Heimkehrer erinnern. Warum soll man da nicht auch an die Opfer der NS-Diktatur erinnern? Im Friedhof von Uttenhofen erinnerte nur eine kleine Tafel in polnischer Sprache an die dort umgekommenen Kinder... Ein Denkmal, wörtlich genommen, bedeutet ja "Denk mal nach! Denk mal nach über Täter und Opfer in schlimmer Zeit". Und das, sagte ich mir, kann doch wohl nicht ganz verkehrt sein. Ich sagte mir auch: "Wer vorgibt, echte Heimatliebe zu empfinden, der weicht dieser Zeit nicht aus. Man darf sie nicht verdrängen, nicht vertuschen, man darf sie nicht wegwischen, als wäre sie nie geschehen. Zur Lokalgeschichte gehören auch dunkle Schatten. Man kann sie nicht vertreiben oder für immer verjagen. Sie werden bleiben. Man muss sich ihnen stellen, darf nicht nur Stadterhebungsjubiläen, Jahrtage von Fürstenhochzeiten, oder Königsbesuchen feiern. Noch eine andere Überlegung leitete mich: Die Zahl der Menschen, die von der Zeit der Verblendung Zeugnis ablegen können, ist sehr gering geworden. Auch sie werden uns verlassen-und bald wird niemand mehr da sein, der von diesen unseligen Zeiten berichten kann. Vielleicht hält dann wenigstens ein Denkmal die Erinnerung wach. Ich brachte 1998, unterstützt von meinen beiden Fraktionskollegen Monika Schratt und Roland Dörfler, ,den Antrag auf Errichtung eines Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus im Stadtrat ein. Er wurde einstimmig angenommen! Fast 17 Jahre sind seither vergangen. Es gab ein langes, fast endlos scheinendes Ringen um den passenden Standort. Die Neugestaltung des Hauptplatzes stand an und schob die Realiserung auf die lange Bank. . Ich nervte meine Stadtratskollegen immer wieder mit entsprechenden Anfragen. Ich sah den Standort zunächst ein wenig kritisch, kann mich nun aber gut damit abfinden. Eine hochkarätige Jury hat Thomas Neumaiers eindrucksvollem Gestaltungsvorschlag zugstimmt.

Natürlich hört man hier und da in Pfaffenhofen: "War so ein Denkmal wirklich nötig? Hätte man das Geld nicht für wichtiger Projekte verwende sollen?"" Und doch: Zu mir sind keine kritischen Stimmen gedrungen. Das Denkmal scheint von einer breiten Bevölkerungsmehrheit mitgetragen. Die meisten Pfaffenhofener wollen die Zeit der NS-Diktatur weder verschweigen noch sie vergessen. Und das beruhigt mich, den Heimatreferenten im Stadtrat, doch sehr. Vergessen und Schweigen-nein, das ist nicht der rechte Weg der NS-Diktatur zu begegnen. Dieses eindrucksvolle Mahnmal weist einen sinnvollen Weg, damit zu umgehen.

Reinhard Haiplik

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