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Pressemitteilung

Offener Brief an die bayerische Staatsregierung / Markus Söder

Die aktuelle Krise zeigt zu was Politik und Gesellschaft fähig sind. Nun gilt es mehr denn je mutige Entscheidungen zu treffen. Welche Schwerpunkte dabei gelegt werden sollten, legen wir in diesem offenen Brief dar.

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Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

sehr geehrte Mitglieder der bayrischen Staatsregierung,

Durch die in der Corona-Pandemie getroffenen Maßnahmen wissen wir, wozu Politik fähig ist, wenn es not-wendig ist. Die Politiker haben die Erfahrung gemacht, dass mutige Entscheidungen honoriert werden und die allermeisten Menschen Einschränkungen akzeptieren, sofern die Notwendigkeit transparent kommuniziert wird und wissenschaftlich belegt werden kann. Aus Solidarität mit der gefährdeten älteren Generation haben wir Einschränkungen hingenommen. Aus Solidarität mit der gefährdeten Zukunft der jungen und zukünftiger Generationen sind wir bereit, auch dauerhafte Einschränkungen hinzunehmen.

Deshalb fordern wir von der bayerischen Staatsregierung und Herrn Söder mutige Entscheidungen bezüglich der in der Krise offenkundig gewordenen Schwachstellen:

 

Demokratie:

Wir Bürger sorgen uns um die parlamentarische Kontrolle der Maßnahmen und Entscheidungen.

  • Die Aufrechterhaltung und Abschaffung des Notstands und evtl. nötige weitere Maßnahmen müssen der parlamentarischen Kontrolle unterzogen werden.

Weltweite Auswirkungen

Viel heftiger als in Bayern und Deutschland sind die Auswirkungen der Pandemie auf Entwicklungsländer. Die humanitäre Katastrophe findet bereits statt, auch wenn in den Medien nicht viel davon zu sehen ist. Eine weltweite Krise kann nur durch weltweite Solidarität bewältigt werden.

  • Der Etat für Entwicklungshilfe im Ministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie muss drastisch erhöht werden

  • Es muss geprüft werden, welche geplanten Investitionen verschoben oder gelassen und welche Mittel an anderer Stelle eingespart werden können, damit für weltweite Nothilfe so viel Geld wie möglich zur Verfügung gestellt werden kann.

     

Umwelt und Klima:

Die Zerstörung intakter Ökosysteme und der Klimawandel spielen eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung neuartiger Viruserkrankungen wie Sars-CoV-2. Sämtliche Entscheidungen der bayerischen Staatsregierung müssen auf ihre Umwelt- und Zukunftsverträglichkeit hin geprüft und abgewogen werden.

  • Der Flächenverbrauch in Bayern muss sofort gestoppt werden.

  • Die Vorgaben des durch das Volksbegehren verbesserten Umweltschutzgesetzes müssen schnell und konsequent umgesetzt werden.

  • Die Verbrennung fossiler Energieträger muss über Anreize und Besteuerung in den nächsten 10 Jahren gestoppt werden.

  • Alles was CO2 speichert muss besonderen Schutz und Förderung genießen

  • Produktwerbung muss zwingend einen Hinweis auf die CO2 Bilanz bei Produktion, Transport und Nutzung enthalten

  • Kein Flächenverbrauch in den Urwäldern für die Produktion von Fleisch oder Monokulturen!

 

 

Krisenvorsorge im Gesundheitsbereich:

Das Problem mit der hausärztlichen Versorgung auf dem Land war bereits vor Corona bekannt, ebenso der Hebammenmangel, Therapeutenmangel und Pflegekräftemangel. Um einer Überlastung des Systems entgegenzuwirken sollten:

  • … Krisen- und Notfallpläne überarbeitet und aktualisiert werden

  • … Material, das im Krisenfall gebraucht wird, ausreichend bevorratet werden

  • … Unabhängigkeit vom Ausland bei der Produktion von medizinischer Ausrüstung oder Gerätschaften für den Betrieb des Gesundheitssystems angestrebt werden

  • … die Privatisierung und Zentralisierung von Krankenhäusern gestoppt werden

  • … das Gesundheitssystems reformiert werden

  • … Beschäftigte im Gesundheitsbereich und Pflegepersonal angemessen entlohnt werden

  • … Werbung für Suchtmittel (Zigaretten, Alkohol, Glücksspiel) verboten werden.

 

 

Schul- und Bildungssystem

Schulen und Bildungseinrichtungen werden als Hotspots gesehen und wurden geschlossen. Dadurch verstärken sich soziale Ungleichheiten im Bildungserfolg und der Kompetenzentwicklung. Der digitale Unterricht lief oft über unsichere und rechtlich fragwürdige Tools von Monopolisten. Wir fordern:

  • Keine weitere Zentralisierung, Erhaltung auch kleiner Schulen

  • Kleinere Klassen und / oder eine zweite pädagogische Kraft in jeder Klasse

  • Verstärkte schulische Förderung von Kindern aus Familien mit niedrigem Einkommen und von vernachlässigten Kindern

  • Entwicklung eines eigenen bayernweiten datenschutzkonformen und sicheren Tools für den Online-Unterricht

  • Unterstützung und Weiterbildung der LehrerInnen und DozentInnen im Gebrauch dieses Tools und in Online-Didaktik

  • Keine Zeitarbeitsverträge im Bildungsbereich

  • Beschäftigte im pädagogischen Bereich müssen angemessen entlohnt werden

  • Der Präsenzunterricht ist nicht ersetzbar. Lernen funktioniert über den Austausch zwischen Personen, über Emotionen, Erlebnisse, Geschichten. Geld für LehrerInnen ist wichtiger als Geld für Laptops

 

 

Kritische Infrastruktur:

Die Krise zeigt, welche Bedürfnisse wirklich essenziell sind: Wasser, Nahrung, Wohnung, Energie. Für deren Absicherung sollte der Staat, und nicht profitorientierte Unternehmen zuständig sein.

  • Stopp für Privatisierung von Energie- und Trinkwasserversorgung, Informations- und Kommunikationstechnologien, das Transport- und Verkehrswesen und sozioökonomische Dienstleistungsinfrastrukturen

  • Sicherung der Grundversorgung mit Lebensmitteln aus regionaler bäuerlicher Produktion, am besten kombiniert mit Umstellung auf Bio

  • Beschäftigte im Einzelhandel müssen besser entlohnt werden. Der Mindestlohn sollte grundsätzlich steigen. Der Geringfügigenverdienst von derzeit 450 Euro sollte deutlich angehoben werden

  • Förderung dezentraler ökologischer Energieversorgung, Beseitigung aller bürokratischen Behinderungen der Energiewende und Speicherung von überschüssigem regenerativem Strom mit den bereits bestehenden Technologien, z.B.: Smart Grid, Sektorkopplung, power-to-gas usw.

  • Anschubfinanzierung für die Markteinführung von Langzeitspeichern für erneuerbare Energien

  • Gesetzliche Standards zur Einsparung von Ressourcen und Energie durch Herstellung wertiger, langlebiger und reparierbarer Produkte

 

Arbeit:

Corona zeigt uns, dass auch in Bayern immer noch Menschen unter unwürdigen Bedingungen arbeiten und wohnen.

  • Stärkere Überwachung von Arbeitgebern, die ausländische Arbeitnehmer und Saisonarbeiter beschäftigen.

  • Verbot von Sub-Sub-Subunternehmern, Begrenzung auf maximal 1 Subunternehmer für 1 Firma/Gewerk

  • Bauliche und rechtliche Definition für Sammelunterkünfte unter dem Aspekt ethischer und hygienetechnischer Grundlagen

Viele Arbeiten konnten von Zuhause aus erledigt werden, was Fahrzeit und Umweltbelastung sparte.

  • Wo immer möglich sollte die Regierung als Vorbild Heimarbeitsplätze für ihre Angestellten ermöglichen

  • Der Ausbau der digitalen kabelgebundenen Infrastruktur muss weiter vorangetrieben werden

  • Statt die Steuerlast auf Konsum, sollte die Steuerlast auf Arbeit ermäßigt werden.

  • Eine ökologische Steuerreform darf nicht mehr weiter behindert werden. Rücksichtslose Gewinnmaximierung sollte steuerlich bestraft, Gemeinwohlorientierung steuerlich belohnt werden

  • Dauerhaft ermäßigter Steuersatz für alle arbeitsintensiven Handwerkerleistungen

 

Finanzwirtschaft:

Unser Gerechtigkeitsgefühl ist verletzt, wenn Gewinne aus Unternehmen von Eigentümern entnommen werden, Verluste aber der Steuerzahler übernehmen soll.

  • Keine staatlichen Gelder für Unternehmen, die Dividenden auszahlen.

  • Förderung von Unternehmen, die gemeinwohlorientiert arbeiten und produzieren

  • Steuern müssen da gezahlt werden, wo das Geld verdient wird.

  • Die Marktmacht der großen Konzerne brechen, um echten Wettbewerb zu ermöglichen.

  • Eine Finanztransaktionssteuer ist seit langen überfällig.

 

 

Gesellschaft:

Die Krise verschärft soziale Ungleichheiten und häusliche Gewalt. Sie betrifft in besonderer Weise auch psychisch Erkrankte und Obdachlose.

  • Maßnahmen gegen Vereinsamung vor allem von älteren Mitbürgern anstoßen, z.B. Wohnen gegen Hilfe…

  • Hilfe bei der Installation von Kommunikations-Tools und Schulungsangebote für Senioren

  • Armutsbekämpfung und Prüfung der Möglichkeit für ein bayernweites bedingungsloses Grundeinkommen

  • Gleichzeitig mit einem Lock Down muss in Zukunft die unterstützende Betreuung von Familien in prekären sozialen Situationen (z.B. Alleinerziehenden) anlaufen

  • Staatliches Erziehungs- und Pflegegehalt

  • Im Epidemiefall Hotelbetten für Obdachlose

 

Verkehr:

Weil die Ressourcen der Erde begrenzt sind, müssen wir die scheinbar unbegrenzte Mobilität für Menschen und Waren neu überdenken. Es geht auch anders, wie der Lock-down gezeigt hat. Unsere Lebensgrundlagen, die Biodiversität unseres Planeten und die Zukunftsfähigkeit kommender Generationen stehen auf dem Spiel.

  • Keinerlei Förderung von Autos und privatem motorisiertem Individualverkehr (das ist Privatsache), stattdessen Förderung des ÖPNV

  • Generelles Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen in Bayern.

  • Schrittweise Anhebung des Benzinpreises, um die Automobilindustrie und die Konsumenten zu kleineren und sparsameren Autos oder umweltfreundlicheren Alternativen zu bewegen.

  • Kein weiterer Straßenbau, Geld ausschließlich für Instandhaltung des bestehenden Straßennetzes

  • Ausbau des Schienennetzes und Etablierung eines schnellen Schienensystems und eines langsamen Schienennetzes wie in Japan oder Frankreich

  • Radschutzstreifen auf allen staatlichen Landstraßen

  • Kein Ausbau des Münchner Flughafens

  • Besteuerung von Kerosin

Dass wir Bürger in der Krise zu kollektivem gemeinwohlorientiertem Handeln bereit sind, hat Corona gezeigt. Wir werden auch Einschränkungen akzeptieren, die nötig sind, um den Klimawandel zu stoppen, wenn sie wissenschaftlich fundiert sind und alle gleichermaßen betreffen.

Wenn sich die Verhältnisse ändern, ändert sich auch das Verhalten. Die Politik erhebt Steuern, um die Verhältnisse steuern zu können. Setzen Sie mutig Standards und Limits in Richtung Ökologie, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit.

Damit uns viele weitere Krisen erspart bleiben.

Pfaffenhofen, Juli 2020

Der ödp-Kreisverband Pfaffenhofen, vertreten durch den Vorstand
Richard Fischer
Nicolas Deskau
Helga Molter

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